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Trigeminusneuralgie
Trigeminusneuralgie (Gesichtsneuralgie): Besondere Form von Nervenschmerzen, die anfallsartig und meist einseitig im Gesicht auftreten. Die Patient*innen leiden an fast unerträglich starken Schmerzattacken, die blitzartig stechend im betroffenen Gesichtsbereich einschießen. Sie halten nur wenige Sekunden bis maximal 2 Minuten an, können aber bis 100-mal am Tag auftreten und auch von einem Dauerschmerz begleitet sein. Die Erkrankung ist selten und betrifft weniger als 0,1 % der Bevölkerung. Sie kann in jedem Lebensalter auftreten, kommt jedoch meist bei Über-50-Jährigen vor. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer. Behandelt wird vor allem mit Medikamenten, in bestimmten Fällen auch mit einer Operation. Bei frühzeitiger Therapie gehen die Schmerzattacken nach einigen Wochen oder Monaten zurück. Ein Drittel der Patient*innen erlebt nur eine einmalige Schmerzepisode im Leben.
Symptome und Leitbeschwerden
- Blitzartig einschießende, kurzzeitige, extrem starke, stechende Schmerzen im Augen-, Wangen- oder Mundbereich einer Gesichtshälfte
- Möglicherweise Verkrampfung der Gesichtsmuskeln in der betroffenen Gesichtshälfte während der Schmerzattacke
- Möglicherweise vorübergehende Bindehautrötung, Tränenfluss oder Nasenausfluss während und nach den Schmerzen
- Eventuell dumpfer Dauerschmerz zwischen den Attacken.
Wann in die Arztpraxis
- In den nächsten Tagen, wenn mehrmals hintereinander Schmerzattacken im Gesicht auftreten.
Die Erkrankung
Der Trigeminusnerv (Nervus trigeminus) ist ein Gehirnnerv, der in 3 Anteilen zum Gesicht zieht. Er ist für die Empfindungen in diesen Bereichen zuständig:
- der Gesichtshaut
- der Schleimhäute von Mund, Rachen, Zunge und Nase
- der Nebenhöhlen.
Außerdem steuert er die Kau- und Zungenmuskulatur sowie das Trommelfell.
Krankheitsentstehung
Ursächlich für die Trigeminusneuralgie ist meist ein zu enger Kontakt zwischen dem Trigeminusnerv und einem Blutgefäß nah am Gehirn. Dabei drückt das Blutgefäß auf den Nerven, sodass unterschiedliche Fasern des Nerven plötzlich miteinander in Kontakt kommen. Dadurch werden Nervenimpulse zwischen den Nervenfasern übertragen und spontane Signale ausgesendet, die zu den plötzlichen Schmerzattacken führen. Neben dieserklassischen Trigeminusneuralgie gibt es noch 2 weitere Formen.
Bei der symptomatischen (oder sekundären) Trigeminusneuralgie steckt eine Grunderkrankung hinter der Nervenreizung, etwa eine Multiple Sklerose oder ein Tumor. Oft sind die Beschwerden dann untypischer, z. B. dauert der Schmerz länger oder es sind beide Gesichtshälften betroffen. Zusätzlich können weitere Auffälligkeiten wie eine verminderte Berührungsempfindung im Schmerzbereich bestehen.
Findet man keinerlei Auslöser, also weder einen Nerven-Blutgefäß-Kontakt noch eine Grunderkrankung, die den Nerven reizt, spricht man von idiopathischer Trigeminusneuralgie. Idiopathisch bedeutet "ohne erkennbare Ursache". Hinter dieser Form wird eine Veränderung im Bereich der Signalübertragungsstellen der Nervenfasern vermutet. Bewiesen ist dies aber nicht.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Schmerzattacken können spontan – also ganz ohne Auslöser – auftreten. Meist werden sie aber durch bestimmte äußere Reize hervorgerufen, z. B. durch Zähneputzen, Kauen, Schlucken, Sprechen oder Berührungen wie beim Rasieren oder Waschen des Gesichts.
Klinik, Verlauf und Komplikationen
Typisch für die Trigeminusneuralgie sind blitzartig einschießende Schmerzattacken rund um Augen, Wangen oder Mund einer Gesichtshälfte.
Die Schmerzen werden von den Betroffenen als stechend oder scharf, extrem stark und als kaum auszuhalten beschrieben – vergleichbar mit einem Stromstoß oder Elektroschock.
Die einzelnen Schmerzattacken dauern nur Sekunden bis maximal 2 Minuten. Die Attacken können aber bis zu 100-mal am Tag auftreten.
Die starke Schmerzintensität löst oft gleichzeitig eine Verkrampfung der Gesichtsmuskeln auf der betroffenen Seite aus.
Begleitend kommt es bei einigen Betroffenen zu vorübergehender Bindehautrötung, Tränenfluss oder Nasenausfluss während und nach der Schmerzattacke.
Zwischen den einzelnen Schmerzattacken sind die meisten Patient*innen vollkommen schmerzfrei, teilweise wird aber auch ein dumpfer Dauerschmerz im betroffenen Gesichtsbereich beschrieben. Dieser kann von Beginn der Erkrankung bestehen oder erst im späteren Erkrankungsverlauf hinzukommen.
Die Häufigkeit der Schmerzattacken variiert. Sie können für Wochen oder Monate täglich auftreten oder für Jahre ganz verschwinden. Manche Patient*innen erleben eine zunehmende Häufigkeit, Dauer und Intensität der Schmerzattacken, andere sind nur von einer einzelnen Schmerzepisode im Leben betroffen.
Diagnosesicherung
Das macht der Arzt
Die Diagnose einer Trigeminusneuralgie ist wegen der typischen Beschwerden meist recht leicht zu stellen. Um festzustellen, welche der 3 Erkrankungsformen vorliegt, ist eine MRT-Untersuchung erforderlich. Hierbei werden die Ursachen einer sekundären Trigeminusneuralgie, z. B. eine Multiple Sklerose oder ein Tumor abgeklärt. Auch die Kompression der Nervenwurzel bei der klassischen Trigeminusneuralgie kann im MRT sichtbar gemacht werden.
Empfehlenswert ist auch eine Vorstellung in der Zahnarztpraxis, um auszuschließen, dass die Schmerzen von den Zähnen ausgehen.
Sind die Schmerzen weniger typisch, sind weitere Untersuchungen notwendig, um andere Schmerzursachen auszuschließen, z. B. eine Erkrankung der Kaumuskeln oder des Kiefergelenks.
Differenzialdiagnosen
Eine beginnende Zahnhöhlenentzündung (Pulpitis) oder bestimmte Arten der Zahnfraktur können sich ähnlich wie bei der Trigeminusneuralgie als blitzartig einschießende Schmerzen äußern.
Mitunter ruft eine Zahnarztbehandlung, z. B. durch eine Wurzelbehandlung, eine Trigeminusneuropathie hervor. Hierbei werden die Nervenfasern des Trigeminusnervs direkt beschädigt. Der Schmerzcharakter unterscheidet sich aber von der Trigeminusneuralgie. Es besteht meist ein brennender oder nadelstichartiger Dauerschmerz. Zusätzliche blitzartige Schmerzattacken sind möglich, fehlen aber meist. Zudem kommt es zu Sensibilitätsstörungen in dem Gesichtsbereich, der von den betroffenen Nervenfasern versorgt wird.
Manchmal wird die Trigeminusneuralgie mit dem anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerz verwechselt. Hier sind die Schmerzen jedoch eher diffus dumpf oder bohrend und nie einschießend.
Auch bestimmte Arten von Kopfschmerzen können sich primär im Gesicht äußern, z. B. die Migräne.
Nicht zuletzt kommen die Kiefergelenke oder Kaumuskeln als Entstehungsort der Schmerzen infrage, z. B. bei der kraniomandibulären Dysfunktion.
Behandlung
Die üblichen Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol helfen bei der Trigeminusneuralgie leider nicht. Besser wirksam sind Medikamente, die normalerweise bei Epilepsie verordnet werden, allem voran Carbamazepin. Auch Phenytoin wird häufig eingesetzt. Helfen diese nicht ausreichend, stehen noch viele weitere Medikamente zur Verfügung, die in Deutschland aber nicht für die Behandlung einer Trigeminusneuralgie zugelassen sind. Deshalb werden sie nicht gleich zu Beginn der Erkrankung verordnet. Lässt die Wirkung von Carbamazepin oder Phenytoin im Laufe der Zeit nach oder treten starke Nebenwirkungen auf, sollte man diese Medikamente aber ausprobieren. Auch eine kombinierte Behandlung aus 2 verschiedenen Medikamenten ist möglich.
Die Medikamente werden zunächst täglich gegeben. Nach einigen Monaten Beschwerdefreiheit kann versucht werden, sie stufenweise wieder abzusetzen.
Bei einer sekundären Trigeminusneuralgie wird zudem die Grunderkrankung behandelt.
Ist nach mehreren medikamentösen Behandlungsversuchen keines der Arzneimittel ausreichend wirksam oder sind die Nebenwirkungen auf Dauer intolerabel, kann eine Operation in Betracht gezogen werden. Mögliche Verfahren sind zum Beispiel
- eine mikrochirurgische Trennung von Nerv und Gefäß
- eine Schädigung der überempfindlichen Trigeminusfasern durch die Haut, sodass die Schmerzreize nicht mehr ins Gehirn geleitet werden
- eine strahlenchirurgische Behandlung (Gamma-Knife)
- neuere Operationsverfahren, bei denen Nervenfasern durch Elektroden stimuliert werden und somit die Schmerzübertragung gehemmt wird.
Akupunktur. Ob Akupunktur hilft, ist nicht sicher bewiesen. Es gibt einige kleine Studien, die belegen, dass die Akupunktur eine wirksame und sichere Behandlungsoption sein kann. Hochwertige Studien, die diese Ergebnisse bestätigen, stehen jedoch aus. Die Berliner Charité führt aktuell eine kontrollierte Studie zur Akupunktur als Zusatzbehandlung zur Routineversorgung durch.
Prognose
Die Aussichten bei Trigeminusneuralgie sind sehr unterschiedlich. Manche Patient*innen erleben nur eine Schmerzepisode im Leben. Andere sind für Wochen, Monate oder Jahre schmerzfrei, bis erneute Episoden auftreten. Die meisten Betroffenen benötigen jedoch eine Langzeitbehandlung, weil die Erkrankung fortbesteht und die Intensität und Frequenz der Schmerzepisoden mal zu und mal abnimmt.
Ihre Apotheke empfiehlt
Was Sie selbst tun können
Schmerztagebuch. Sinnvoll ist ein Tagebuch, in dem Häufigkeit, Dauer und Intensität der Schmerzen erfasst werden. Auch notiert werden weitere Auffälligkeiten wie Empfindungsstörungen zwischen den Attacken oder erkennbare Schmerzauslöser. Das kann helfen, den Therapieerfolg zu beurteilen, die Alltagseinschränkungen einzuschätzen und die Erkrankung langfristig besser zu managen. Außerdem kann es im Fall eines Antrags auf Schwerbehinderung dem Gutachter helfen, den Grad der Behinderung einzuschätzen.
Multimodale Schmerztherapie. Neben der medikamentösen Behandlung können auch andere Verfahren zur Angstreduktion und Schmerzbewältigung beitragen. Geeignet sind die Physiotherapie, bestimmte Formen der Psychotherapie wie die kognitive Verhaltenstherapie sowie eine umfassende Patientenaufklärung. Lassen Sie sich von Ihrer behandelnden Arztpraxis beraten.
Zahnextraktion. Patient*innen glauben manchmal irrtümlich, eine Trigeminusneuralgie sei auf einen "kranken Zahn" zurückzuführen und lasse sich deshalb durch eine Zahnextraktion behandeln. Zuweilen werden sie auch durch Angehörige dazu gedrängt, nichts unversucht zu lassen, und sich deshalb vorsorglich einen möglicherweise kranken Zahn ziehen zu lassen. Eine zahnärztliche Untersuchung ist zwar ratsam, um eine tatsächlich bestehende Zahnerkrankung auszuschließen. Jedoch wird von Zahnextraktionen auf Verdacht und zur "Ausschlussdiagnostik" ohne eindeutigen Krankheitsbefund nachdrücklich abgeraten.
Weiterführende Informationen
Neurologen und Psychiater im Netz - Internetseite der deutschen Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie mit Informationen zu neurologischen und psychischen Erkrankungen, Arzt-/Kliniksuche, Selbsthilfe und Rechtsfragen für Patient*innen und Angehörige.
14.03.2025 | Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Daniela Grimm